Doc interviewt: Lion Twin

26. Juli 2014, 22:03 - interview, lion-twin - geposted von DocDesastro

Liebe Schergen. Ich freue mich, Euch mit dem Interview mit der vorzüglichen Band Lion Twin aus Wuppertal zu beglücken. Wer meine Show aufmerksam verfolgt hat oder auf einem Konzert der Axxis-Tour war, hat sicherlich schon den einen oder anderen Song dieser Hardrock/Metal-Combo gehört.


DocDesastro (ROCKYOU.fm): Zuerst möchte ich herzlich die Band begrüßen. Liebe Band, 2011 habt Ihr euch ja gefunden und Ihr habt 2013 erfolgreich euer Debütalbum "Nashville" released. Wie fühlt Ihr Euch dabei?

Lion Twin: Wie man sich als erfolgreiche Newcomer-Band eben fühlt! Wir haben in kurzer Zeit schon viel erreicht. Also haben wir anscheinend bisher alles richtig gemacht.


DocDesastro: Liane, fangen wir mal mit Dir an. Ladies first. Wie bist Du zur Musik gekommen und warum gerade der Metal?

Liane (Lion Twin): Mit zwölf Jahren habe ich bereits in einer Schülerband gesungen. Seitdem ist das Singen eine feste Instanz in meinem Leben geworden. Im Laufe der Jahre habe ich in den verschiedensten Stilrichtungen meine Erfahrungen sammeln können: TV-Auftritte im Schlagerbereich, Radiowerbung, CD-Produktionen im Techno und Pop gehörten ebenfalls dazu. Außerdem war ich Sängerin in mehreren lokalen Cover-Rockerbands. Zum Metal kam ich durch die Zusammenarbeit mit Contradiction, Regicide und Cyberya. Und gerade im Metal kann ich mich als Sängerin am besten entfalten.


DocDesastro: Ist es schwer, Frontfrau zu sein? Der Heavy Metal ist im Prinzip ja schon recht männerdominiert.

Liane: Ich denke, als Frontfrau hat man es nicht immer leicht! Du musst dich in diesem Business schon durchsetzen, um erfolgreich zu sein. Auf Tour ist es mir z. B. schon mal passiert, dass ich vor dem Soundcheck als Groupie oder als Freundin des Gitarristen gehalten worden bin. Auf der Bühne gibt es von mir keine einstudierte Show.


DocDesastro: Als nächstes Karsten Hein, der Mann hinter dem Bass. Wie kamst Du zur Musik?

Karsten (Lion Twin): Ich denke eher dass die Musik zu mir gekommen ist, nicht etwa ich zu ihr! Wie ich auch alles andere in meinem Leben auf mich zukommen lasse! Ich habe schon immer fast alle Musikrichtungen passiv wie auch aktiv intensiv erlebt, mit dem Auftrag, auch meinen eigenen Stil zu finden! Mit Liane habe ich bereits vor über 20 Jahren musiziert und war immer von ihrer Stimmgewalt überzeugt! Als sich die Gelegenheit ergab, bei Lion Twin und diesem geilen Gesamtkonzept mitzuwirken, habe ich keinen Moment überlegen müssen!


DocDesastro: Die Thematik der Band Lion Twin vereint ja altbewährte Stile. Gerade im Metal halten sich ja Stilrichtungen ewig wie das Amen in der Kirche, während neue aus dem Boden schießen. Findest Du das nicht auch erstaunlich, wie kreativ und gleichzeitig so konservativ diese Musikrichtung ist?
Karsten: Klar, wie viele andere Stilrichtungen ebenfalls!


DocDesastro: Jan Koemmet ist der nächste auf meiner Liste. Auch er hat schon in einer anderen Band gespielt. Mir fällt da Bad Steve ein. Das war in den 80ern in Solingen. Was hast du seitdem gemacht?

Jan K (Lion Twin): Vor Bad Steve war ich Mitglied bei Accept und habe auf dem Album "Restless And Wild" neben Wolf Hoffmann als zweiter Gitarrist mitgewirkt. Ende der 80er Jahre bekam ich ein Engagement im Orchester des Starlight Express. Für knapp vier Jahre spielte ich hier Gitarre. Danach war meine musikalische Laufbahn erst einmal zu Ende, da ich mich beruflich in eine andere Richtung orientieren wollte. Vor ca. vier Jahren begann ich dann wieder Musik zu machen und habe im Frühsommer 2011 mit Liane zusammen unsere Band Lion Twin gegründet.


DocDesastro: Bevorzugst Du besonderes Equipment?

Jan K: Die Gitarre, die ich auf der Bühne spiele, ist ein Unikat und von mir gestaltet. Mit der Unterstützung eines befreundeten Schreiners und einem Gitarrenbaumeister haben wir die Gitarre dann gebaut. Als Verstärker benutze ich einen Splawn "Nitro" der mit einer 4x12er Marshall-Box gekoppelt und mit vier Celestion G12M/25 "Greenback" Speakern ausgerüstet ist.


DocDesastro: Stefan "Stürmer" Weber spielt ebenfalls Gitarre in der Band. Wie kommt man zum Spitznamen "Stürmer"?

Stefan (Lion Twin): Mit zehn Jahren habe ich auf einer Ferienfreizeit von den anderen Teilnehmern den Spitznamen "Stürmer" bekommen. Bis heute hat sich dieser Name gehalten...


DocDesastro: Zuletzt haben wir noch am Schlagzeug Jan Hinzemann. Wie wird man Drummer bei einer Band, die im Geiste der 80er Musik macht?

Jan H (Lion Twin): Es geht wohl nicht um die Jahreszahl die für einen Musikstil steht, sondern um ihre Qualität. Und Qualität ist zeitunabhängig.


DocDesastro: Drummer zu sein, bedeutet ja auch große Verantwortung. Mit dem Takt steht und fällt die Performance der Band. Wie gehst Du damit um? Hast Du jedes Mal aufs neue Lampenfieber oder würdest Du Dich als sehr routiniert bezeichnen?

Jan H: Ich bin Profi!


DocDesastro: Als letztes, also vor Lion Twin, sehe ich Dich, Liane, bei der Band Cyberya, das war im Jahre 2002, wenn ich nicht irre? Die Band hielt nur 1 Jahr. Kannst Du was aus dieser Zeit berichten.

Liane: Die damaligen Bandmitglieder von Cyberya hatten aufgrund ihrer vielen eigenen Projekte immer weniger Zeit für die Band, die sich dann leider aufgelöst hat.


DocDesastro: Rob Schomaker war da ja Dein Bandkollege am Bass. Heute rockt er ja bei Axxis. Jetzt müsste man ja ein Schelm sein, wenn man da nicht mit einem Augenzwinkern wahrnimmt, dass ihr ja gemeinsam auf Tour wart. Wessen Idee war das denn, Euch als Vorband zu engagieren?

Liane: Rob und ich kommen beide aus Wuppertal und wir kennen uns seit über 25 Jahren. Das verhalf uns aber nicht dazu, Axxis zu supporten. Auf der Musikmesse 2013 lernten wir den Keyboarder von Axxis, Harry Oelers, kennen, da wir zu diesem Zeitpunkt für unser fertiges Debütalbum auf Labelsuche waren. Er ist mit Bernhard Weiss, Sänger von Axxis, Inhaber des Labels Phonotraxx und wir sprachen mit Harry über eine mögliche Zusammenarbeit. Die Veröffentlichung unseres Albums war terminlich mit Phonotraxx nicht zu vereinbaren, so dass wir bei unserem jetzigen Label Fastball Music unterschrieben haben. Damals schon fragten wir Harry nach der Möglichkeit, Axxis auf ihrer Tour zu supporten. Anfang 2014 erhielten wir dann die Zusage.


DocDesastro: Hat das denn alles harmonisch funktioniert, on stage und backstage?

Lion Twin: Bei der Axxis-Tour hatten wir unseren eigenen Nightliner und dadurch auch mehr Privatsphäre. Bis auf wenige Ausnahmen wurde uns Backstage eine eigene Garderobe zu Verfügung gestellt. Das Catering war in der Regel gut und wir haben mit Axxis fast immer gemeinsam gegessen. So herrschte unter den Musikern und der Stage-Crew vor Ort eine gute und kollegiale Stimmung. Die Auf- und Abbauten mussten zügig vonstattengehen, so dass hier der Stressfaktor für uns ziemlich hoch war. Unsere Show auf der Bühne musste sich jedes Mal neu, den Platzbedingungen anpassen. Auch wenn ich die einzige Frau bei dieser Tour war, fühlte ich mich persönlich nicht benachteiligt und fand es selbstverständlich auch mit anzupacken. Besonders positiv war die Geste von Axxis, bei der letzten Show in Aschaffenburg alle Tour-Beteiligten bei ihrem letzten Stück auf die Bühne zu holen. So ist dann auch ein tolles Abschlussbild entstanden, das auf unserer Homepage zu sehen ist. Durch die Axxis-Tour konnten wir viele neue Erfahrungen, Freunde und Fans gewinnen.


DocDesastro: Welcher Ort hat euch denn auf der Axxis-Tour am besten gefallen?

Lion Twin: Alle Locations waren toll. Zwei Orte, die uns in besonderer Erinnerung geblieben sind möchten wir jedoch hervorheben: Berlin im "K17" und München im "Strom". In Berlin sind die Garderoben nicht hinter der Bühne, sondern vor dem Zuschauerbereich. Um auf die Bühne zu gelangen, mussten wir durch das Publikum gehen. Nur war kurz vor Show-Beginn kein Publikum anwesend! Wir blieben jedoch gelassen und nach unseren ersten Tönen auf der Bühne strömte die Menge in den Saal. Durch das schöne Wetter waren sie Draußen geblieben, da das "K17" hier einen sehr schönen Barbecue-Bereich aufgebaut hatte, von dem wir aber nichts wussten. Während unserer Show wurden wir vom Publikum regelrecht gefeiert und die vielen positiven Kommentare nach der Show, an unserem Merch, haben uns damals überwältigt. Wegen der großen Nachfrage wurde der Gig in München vom "Backstage" in das größerere "Strom", einem ehemaligen "Hard-Rock-Schuppen", verlegt. Schon zu Beginn unserer Show, war das "Strom" eigentlich überfüllt. Die Stimmung des Publikums war von Anfang bis Ende auf einem so hohen Level, dass wir es gar nicht glauben konnten. Außerdem hat Liane hier zwei ehemalige Wuppertaler getroffen, die extra wegen ihr gekommen waren. Nach dem Konzert haben wir noch lange mit der gesamten Belegschaft des "Stroms" bis in die Puppen weiter gefeiert. Vielen Dank noch mal dafür.


DocDesastro: Zuvor wart Ihr mit Udo Dirkschneider auf Tour, ein Urgestein vor dem Herrn. Wie kam es dazu?

Lion Twin: Udo und Jan kennen sich ja noch aus alten Accept-Zeiten. Sie hatten all die Jahre immer wieder Kontakt zueinander. Als die Songs für unser Debütalbum fertig waren, hatten wir die Idee, Udo zu fragen, ob er mit Liane ein Duett zusammen singen wollte. Er war dem ganzen positiv eingestellt, so dass wir ihm unsere Songs zur Auswahl schickten. Er entschied sich für "Day Of Anger". Als wir mit unserem Album fertig waren, planten wir "Day Of Anger" auch als Video zu veröffentlichen. Udo war auch hier dabei. Die Filmaufnahmen mit ihm und Liane, sind an seinem Wohnort entstanden und waren unkompliziert und professionell. Nach der erfolgreichen Single-Auskopplung von "Day Of Anger" traten wir für die damals bevorstehende U.D.O.-Europa-Tour in Verhandlung mit seinem Management. Zwischen Weihnachten und Sylvester 2013 bekamen wir dann schließlich die Zusage für die Support-Tour. Wir schätzen das freundschaftliche Verhältnis zu Udo, der uns auch weiterhin mit Rat und Tat zur Seite steht.


DocDesastro: Wie empfindet ihr generell das Tourleben? Läuft da immer alles harmonisch ab, oder an welchen Punkten reibt man sich ganz gerne?

Lion Twin: Nach zwei erfolgreichen Support-Touren haben wir jetzt die Zusage für eine noch größere Tour bekommen: Vom 3. September bis 13. Oktober 2014 werden wir Rage auf ihrer Europa-Tour als Support-Act begleiten. Bisher ist auf unseren Tourneen alles planmäßig verlaufen. Wir haben viele Fans dazu gewonnen und freuen uns auf die kommende Tour, die hoffentlich genau so erfolgreich für uns ist. Auf der einen Seite hat eine Tour schon etwas von "Urlaubsfeeling" und man gewinnt viele neuen Freunde und Erfahrungen hinzu. Schön ist es auch, seine Facebook-Freunde live kennen zu lernen. Auf der anderen Seite ist eine Tour aber auch mit viel Arbeit, Organisation, Stress und Disziplin verbunden. Trotz des beengten Raumes im Nightliner haben wir bisher aber keine negativen Eindrücke machen können.


DocDesastro: Da wart ihr ja einen großen Teil international unterwegs. Wie glaubt ihr, seid ihr in BeNeFCh angekommen? Erfreut ihr euch auch in diesen Ländern einer Fanbase?

Lion Twin: Wir hätten nie erwartet, dass wir als Newcomer-Band so schnell auch im europäischen Ausland so erfolgreich sind. So hatten wir aufgrund der U.D.O.-Tour nicht nur in Deutschland sondern auch in Belgien, Niederlande und Frankreich viele Interview-Anfragen und Radiobeiträge. Unsere Show in der Schweiz hat dazu geführt, dass Du uns jetzt Interviewst. Danke an dieser Stelle an Deinen Kollegen Adrian, der nicht nur den Kontakt zu Dir hergestellt hat sondern auch tolle Live-Fotos von uns in Pratteln geschossen hat. Hier möchten wir die Gelegenheit nutzen, und uns bei allen Fotografen bedanken, die uns ihre Bilder zur Verfügung gestellt haben.


DocDesastro: Wie seid ihr eigentlich auf den Bandnamen und das Logo gekommen? Sieht ja Teilweise sehr astrologisch aus.
Lion Twin: Die Namensfindung haben wir uns bis zum Schluss aufgehoben. Unser Bandname ist aus den Sternzeichen von Liane und Jan entstanden. Und Du hast recht, das Logo kombiniert die astrologischen Zeichen des Löwen und des Zwillings.


DocDesastro: Lasst uns über das Debütalbum sprechen. Erst einmal zum Titel. Warum gerade "Nashville" - das klingt doch erst mal nach Country, oder?

Lion Twin: Wir möchten an dieser Stelle klar stellen, dass die Stadt Nashville, wie landläufig angenommen, eben nicht nur etwas mit Country und Blues zu tun hat, sondern dass sich hier auch eine große Rock- und Metal-Szene befindet. Denn diese Stadt, die den Zusatz "Music City USA" im Namen trägt, hat die Rock- und Popmusik wie keine andere entscheidend geprägt. Für unser Debütalbum wollten wir einen bestimmten Sound, was das Mischen und Mastern anging. Also hatten wir uns dazu entschlossen, uns auf eine längere Reise zu begeben. Nashville - denn nur dort ist Michael Wagener zu finden. Er hat den Sound vieler erfolgreicher Bands geprägt. So z. B. Metallica, Alice Cooper, Skid Row, White Lion, Ozzy Osbourne, Extreme und Kings X. Mit der Namensgebung unseres Debüts verneigen wir uns vor dieser Stadt, die eben auch unseren Sound durch Michael Wagener, der dort seit vielen Jahren lebt und arbeitet, beeinflusst hat. Die Arbeit mit Michael in Nashville war sehr professionell und es hat sich daraus hat eine echte Freundschaft entwickelt, die wir nicht mehr missen wollen. Für eine Produktion für eine russische Band haben wir ihm im letzten Jahr ein Studio in unserer Region vermittelt. Es war zu der Zeit als die internationale Musikmesse in Frankfurt stattfand. Während dieser Zeit haben wir uns mit Michael regelmäßig getroffen und ausgetauscht und sind natürlich auch mit ihm zur Musikmesse gefahren.


DocDesastro: Beim Review ist mir ja schon aufgefallen, dass da viel Herzblut und Sozialkritik drinstecken. Ihr verarbeitet da viel Aktuelles, wie den Arabischen Frühling oder die Globalisierungsgegner. In "Day of Anger" wird ägyptisch gesprochen, wie mir scheint. Glaubt ihr, das könnte jemanden provozieren? In bestimmten Regionen der Welt scheint es ja zu einem Nationalsport geworden zu sein, Fahnen zu verbrennen und wüste Drohungen auszustoßen, wenn man etwas kritischer gegenüber Staat und Religion ist.

Lion Twin: Unser Song "Day Of Anger" ist keinesfalls ein Aufruf zur Gewalt oder soll der Provokation dienen. Er setzt sich mit den Ereignissen auseinander, die Anfang des Jahres 2011 in Ägypten begannen. Große Teile der Bevölkerung gingen damals in vielen ägyptischen Städten auf die Straßen um gegen das dort autoritär herrschenden Regime und die politischen und sozialen Strukturen zu demonstrieren. Getragen wurden diese Proteste von einer breitgefächerten Bewegung, der verschiedenste soziale Schichten, sowohl Linke als auch Bürgerliche, Säkulare als auch Christen und Muslime angehörten. Am Freitag, dem 28. Januar 2011, als "Day of Anger" (Tag des Zorns) in die Geschichte eingegangen, erlebte die ägyptische Revolution einen ersten Höhepunkt.


DocDesastro: Wäre das Thema "Ukraine" ein guter Aufhänger für einen neuen Song?

Lion Twin: Es gibt so viele Themen in dieser Welt, die uns zu neuen Songs inspirieren könnten, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht festlegen wollen.


DocDesastro: "Far Away" wirft für den unkundigen Hörer Fragen auf. Als ich das hörte, hatte ich zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder, ich mutmaße, einer von euch ist Nordire oder Ihr besingt einfach generisch das Schicksal einer Person, die wegen des Terrors und der Bürgerkriegs die Ulster-Region verlassen musste. Was ist denn hier richtig?

Lion Twin: Keiner von uns ist Ire. In "Far Away" geht es nicht nur um Nordirland, sondern um die ganze Insel. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht einer Auswanderin, die wehmütig auf die Schönheit ihres Heimatlandes zurückblickt, aber auch die vielen Repressalien, denen Irland ausgesetzt war, beschreibt. Es freut uns natürlich, dass "Far Away" durch Lianes Gesang so glaubwürdig klingt, dass er Dich zu Deinen Mutmaßungen inspirierte.


DocDesastro: Zu "Wings of Love" möchte ich an dieser Stelle einfach nur gratulieren. Der Song ist echt klasse und ich beneide irgendwie die Person, die dort angesprochen ist. Darf man nach Details fragen oder umhüllen wir das Thema lieber mit dem flauschigen Mantel des Schweigens?

Lion Twin: Wir wollten auf unserem Debüt unbedingt eine richtige Ballade haben. So haben wir "Wings Of Love" geschrieben.


DocDesastro: Ihr engagiert Euch ja auch fleißig für diverse Projekte. Menschenrechte und Umweltschutz sind da Beispiele für Eure Aktivität. Wollt Ihr was dazu sagen?

Lion Twin: Wie Du ja schon festgestellt hast, haben einige unserer Texte einen sozialkritischen Ansatz. Von daher ist es für uns klar, dass wir auch Organisationen unterstützen möchten, die sich für mehr Gerechtigkeit in unserer Welt einsetzen und Missstände aufdecken.


DocDesastro: Nun will man ja mit seiner Musik auch etwas Geld verdienen. Wie schwierig gestaltet sich das?

Lion Twin: Als Newcomer-Band ist es nicht einfach, Auftritte in Clubs oder auf Festivals zu bekommen. Zur Zeit sind wir froh, wenn wir mit unseren Auftritten finanziell keine roten Zahlen schreiben.


DocDesastro: Sollte da nicht eine Tour hilfreich sein oder zahlt man da eher drauf?

Lion Twin: Es ist von großem Vorteil, wenn du als Newcomer-Band die Möglichkeit bekommst, mit einer erfolgreichen Band auf Tour zu gehen. In einer relativ kurzen Zeit erreichst du hier ein wesentlich größeres Publikum als wenn du als Newcomer-Band eine eigene Club-Tour realisieren wolltest. Tourneen kosten natürlich immer Geld, von daher ist es wichtig mit Hilfe von Sponsorengeldern, Endorsements und Fördermaßnahmen die Tour zu finanzieren. Damit das Ganze auch erfolgreich wird, müssen Hauptband und Vorband musikalisch harmonieren. Als Vorband musst du dich in einem noch größerem Maße an die Regeln halten: Wir haben schon von Supportbands gehört, die nicht auftreten konnten, weil die Hauptband in einem Verkehrsstau stand. Hier gilt es professionell zu bleiben und sich auf den nächsten Auftritt vorzubereiten. Aber in der Regel werden ja von beiden Seiten Verträge unterschrieben, sonst könnte es passieren, dass du als Vorband die Funktion eines Türöffners hast: mit ganze wenig Bühnenlicht, mit einem schlechten Sound, keine Möglichkeit dein Merch zu verkaufen, und einem hungrigen Magen. Also Augen auf!


DocDesastro: Wie wichtig ist es als Musiker eigentlich, sich mit Recht und Gesetz auszukennen. Es gibt ja mit Sicherheit genug Menschen die glauben, gute Musik zu machen reicht.

Lion Twin: Was unseren Rechtsbeistand angeht, werden wir sehr gut beraten.


DocDesastro: Früher war es ja so: Es wurden Schallplatten gepresst und viel wurde dann via Tapes kopiert und verbreitet. Heute läuft viel via Internet. Wie steht ihr zu diesem Medium? Fluch oder Segen?

Lion Twin: Wir sehen die vielfachen Möglichkeiten des Internets als Segen an, da wir vor allem über unsere Facebook-Seite viele internationale Fans und Radiostationen erreichen können.


DocDesastro: Was ist mit Dingen wie Ampya, Spotify, Amazon und co? Seht ihr das als Chance oder sind das einfach typische Internetphänomene, die etablierten Händlern und Radios das Wasser abgraben?

Lion Twin: Spotify und Co. sind erst durch das Internet entstanden und wir sehen diese digitalen Vertriebskanäle als eine weitere Möglichkeit, unsere Musik international zu verbreiten. Selbstverständlich nutzen wir diese bereits!


DocDesastro: Momentan steht Deutschland im Geiste der Fußball-WM. Ich denke, zu diesem Thema habt Ihr doch bestimmt auch die eine oder andere Meinung, oder? Ich vermute mal Eure Antwort wird nicht massenkonform sein, oder?

Lion Twin: Zum Zeitpunkt des Interviews ist Deutschland in Brasilien Weltmeister geworden. Ein schöner Anlass, aber wir sollten uns in Erinnerung rufen, welche Opfer die brasilianische Bevölkerung auf sich nehmen musste, damit diese WM überhaupt stattfinden konnte. Ihre Proteste vor und während der WM sprechen eine eindeutige Sprache. Liane hatte ihre besonderen Momente als Musikerin während der WM 2006 in Deutschland: Mit ihrer damaligen Coverband absolvierte sie mehrere Konzerte beim Public-Viewing vor jeweils ca. 6.000 Menschen. Das Publikum ist damals, ähnlich wie bei der diesjährigen WM, vor allem bei den Deutschland-Spielen schier ausgeflippt. Sie war teilweise froh, dass sie während der Spiele, in einem abgetrennten Bereich Luft holen konnte, so energiegeladen war diese Atmosphäre.


DocDesastro: Wäre diese Augenwischerei und Perversion des Sports nicht auch mal einen Song wert?

Lion Twin: Wie schon gesagt, es gibt so viele Themen in dieser Welt, die uns zu neuen Songs inspirieren könnten, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht festlegen wollen.


DocDesastro: Was glaubt ihr, läuft hier auf Planet Earth besonders schief?

Lion Twin: Es gibt einfach zu viele Egos in dieser Welt!


DocDesastro: Und mal auf Wuppertal bezogen? Ich habe da selber mal zwei Jahre gelebt. Die Stadt kam mir nicht als die hübscheste in Deutschland vor, vereint aber eine Vielfalt von Menschen. Was hält einen dort und was ist besonders toll? Also der Döner in der Gegend um den Bahnhof herum ist es schon mal nicht...

Lion Twin: Wuppertal ist unserer Meinung nach die Stadt auf den "zweiten Blick". Es stimmt: Fährst du das erste Mal durch Wuppertal, findest du einige Stellen die nicht besonders toll aussehen, wie in jeder Stadt. Aber schaust du genauer hin, sind es vor allem die Menschen, die hier leben, die diese Stadt ausmachen. Deswegen leben und arbeiten wir in Wuppertal!

Doc Desastro: Damit möchte ich der Band Lion Twin an dieser Stelle für das Interview danken. Ich hoffe, es machte Euch Lesern genauso viel Spass beim Lesen wie mir beim Schreiben. Eines vorweg: Man munkelt, dass die Band bald live mit Rage auf Europas Bühnen zu sehen sein werden. Haltet die Augen offen und besucht deren Homepage für weitere Infos. Ich sage hier Ciao bis zum nächsten Mal.

Euer Doc