Bewertung 5/6 Pommesgabeln
Genre Dark Rock
Label SPV / NoCut
Releasedatum 9. August 2013
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Der Doc hört rein: Mono Inc. - Nimmermehr

25. August 2013, 17:45 - mono-inc, review - geposted von DocDesastro

Die deutschen Albumcharts...man geht nichtsahnend vorbei und mag normalerweise den Kopf schütteln, mit welch seichter Kost uns die Musikindustrie auch weiterhin in den Radios plagen mag. Die Top 3: Helge Schneider, Santiano, Mono Inc.... MONO INC.???
Grundgütiger, als ich den Bandnamen dort las, bekam ich einen Knoten im Magen.
Wenn eine Band aus der Gothic/Dark-Szene es irgendwann schafft, in den offiziellen Charts zu erscheinen, dann verheißt das nichts gutes. Ich denke da an meine Kindheit zurück... damals waren HIM auf einmal im Radio, auf MTV und selbst nicht-Gruftis hörten fleissig mit. Die Welt war rosa - mit einem schwarzen Schleifchen oben dran und schwarz war modetauglich. Dann erinnern wir uns an Oomph!. Mancherorts als die Urväter oder Mitbegründer der Neuen Deutschen Härte bezeichnet mutierte diese Band mit steigendem Erfolg von einer Band, die damals noch mit so Krachern wie I. N. R. I. vs Jahwe oder Supernova zu begeistern wusste.
Auf einmal hieß es "Eckstein, Eckstein - alles muss versteckt sein". Ha ha, das war neu, das war witzig. Heute schrubbt die Seemannsrose das Deck oder der Kleinstadtboy covert sich - wenn auch witzig - durch die homophobe Nachbarschaft. Dann noch der Graf und Unheilig. Ich muss nicht mehr sagen, oder? Ihr solltet die Botschaft begriffen haben.

Die Band selber ist in Deutschland und auch international etabliert, es ist das achte Album der mittlerweile geschäftigen Band, die nun drei Alben in drei Jahren produzierte. Stilistisch irgendwo zwischen Alternative und Dark Rock gehalten, ist Mono Inc. auch im Selbstverständnis der Band eher in der schwarzen Szene zuhause. Momentan mit SPV/NoCut unter Vertrag, stehen Martin Engler und Band bislang für düstere Lyrik im dunklen Gewand in englischer Sprache.

Für die folgende Rezension habe ich das limitierte Album ergattert.
Das Bundle umfasst eine CD, sowie eine Bonus-DVD mit Videos und Live-Aufnahmen sowie dem Making-of von "Kein Weg zu weit". Man muss ungefähr 19€ in die Hand nehmen, um die CD in dieser Fassung zu erhalten.


Review

Das Review begann, als ich auf dem Weg vom Plattendealer meines Vertrauens ins Auto stieg um die lange Heimreise anzutreten. Vorher war ich erst einmal... aufgewühlt.
Platz 3 in den deutschen Album Charts. Incl. der Hitsingles "Heile Heile Segen" und "Kein Weg zu weit" mit Joachim Witt. Witt? Joachim "goldener Reiter" Witt? Und wieso singen die auf einmal deutsch? Ist das überhaupt die Band, die ich kenne? Dann erinnerte ich mich mit Schrecken an die Sendung "Goodbye Deutschland" auf Vox und ja, das war die Titelmelodie. Dies färbte meine Perspektive und Grundhaltung erstmal recht negativ ein. Nicht sehr professionell, fragt Ihr? Ja, und das gebe ich auch zu. Ich garantiere Euch aber ebenso, wenn Ihr dieses Album unvoreingenommen hört und Euch an Lieder wie "Voices of Doom" oder "Revenge" erinnert, seid Ihr auch erstmal enttäuscht vom Gehörten.
Aber: Ich bin es mir und auch Euch und erst recht der Band schuldig, mich vorher kundig zu machen, bevor ich aufgrund eines ersten Eindrucks (ja, der war: zornig) hier ein Review hinklatsche und die Scheibe unreflektiert zersäge.

Starten wir also das Album. Track eins Heile Heile Segen eröffnet im typischen Mono Inc.-Gewand. Sehr hörbar und die Erwartung steigernd. Dann aber die Kinderstimme mit dem Abzählreim. Oh Gott, dachte ich erst. Ein kleiner Kobold flüsterte "Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein!" in den hintersten Ecken meines Unterbewussten. Die Mundwinkel gingen hier erstmal nach unten. Nun muss man sich aber auch bewusst machen, dass Mono Inc. sehr stark mit dem Text arbeiten, also muss man auch diesen betrachten. Warum das ganze also? Warum vor allem singen die auch noch auf Deutsch? Von der Thematik her geht es im Text in meinen Augen um den Schmerz und die Hilflosigkeit eines Kindes. Probleme der Jugend, die die Erwachsenen nicht verstehen können oder verstehen wollen. Der Kinderreim zeigt, wie auf sowas reagiert wird. Mit einem schwachsinningen Stabreim, der das Problem nicht löst. Mit der deutschen Sprache erreicht die Botschaft mehr Hörer als wenn der Song auf Englisch gehalten worden wäre. Wenn man das also zusammenfasst, kann man von einem gut produzierten Song mit toller Botschaft sprechen und die Band beglückwünschen, einer solchen Thematik eine Plattform gegeben zu haben.
Wenn man das allerdings NICHT tut, erscheint es als massentauglicher Abklatsch von Oomph!. Und diese Gefahr ist bei unreflektiertem Genuss des Albums groß.

Machen wir nach vielen Worten weiter mit Track 2, Seligkeit. Stahlhart schreddert sich der Riff in unsere Ohren. Die angenehme Stimme von Martin singt uns von Abschied und Trauer bevor die Melodie tragender wird. Ein genial komponierter Text besingt den Verlust, den ein Mensch nach einer falschen Entscheidung ("einmal noch das Ende wählen") erfährt und empfindet. Ein gelungenes Lied, wenn man einen Song für melancholische, nachdenkliche Stunden hören will. Live eingespielt lädt der Song zum mitsingen ein.

My Deal with God lautet der Titel von Track 3. Der erste Englischsprachige auf dieser Scheibe, was ja bislang der Normalzustand war. In angenehmer Geschwindigkeit präsentiert sich dieser Track und erfreut das Ohr. Die Melodie ist eingänglich und lädt die Muskeln zum mitwippen ein. Der Track greift eine Situation auf, die Anhänger der schwarzen Szene das eine oder andere Mal selbst erlebt haben. Der Umgang der Gesellschaft mit dem andersartig-sein und Religion. Intelligent legt die Band im Text die Ignoranz der Mitmenschen offen. Die Botschaft lautet: "Zeig mir, dass Deine Religion funktioniert, und ich bin Manns genug, an sie zu glauben." Solange das nicht geschieht, werde ich mich nicht ändern. Ein weiteres gelungenes Stück.

Track 4. Wir präsentieren den Titelsong aus dem Hartz-4-TV: Kein Weg zu weit. Auch hier haben wir einen Track vor uns, der Erläuterung bedarf. Beim ersten Hinhören eine traurig, melancholische Halb-Ballade, wie es scheint. Am Ende Kinderchor und auch diesmal schreit der kleine Kobold "Unheilig! Unheilig! Geboren um zu leben!". Eher enttäuschend, oder? Und auf bild.de war der Song auch noch...
Aber halt, schauen wir uns mal das Video auch an (es liegt der limitierten Fassung auf der Bonus-DVD bei). Schweigen. Es geht um etwas, was ich hier nun gar nicht erwartet habe. Es geht um das Thema "Gewalt in der Familie". Ohne den Clip gesehen zu haben, macht es an dieser Stelle nicht viel Sinn, darüber zu diskutieren. Ich lade Euch ein, ihn selber anzusehen und Euch dann Euer Urteil über Lied und Botschaft zu bilden. Mono Inc. klagen an und rütteln auf. Daher sollte man diesen Song von den Klischees entkleiden. Und Kinderchöre gibt es schon bei Foreigner, Pink Floyd und den Puhdys. Das haben Unheilig nicht erfunden. Aber es macht es wirklich schwer, objektiv zu bleiben.
Ich hoffe, es an dieser Stelle gewesen zu sein.

Euthanasia heißt Track 5 - Der gute Tod. Ein Song wie ein Schlag in die emotionale Magengrube. Mit eingängiger Melodie besingt die Band Todessehnsucht und Verzweiflung über die sich der Tod wie ein sanftes Kopfkissen legen möge. Gänsehaut pur!

Machen wir also weiter: Track 6 lautet Alles was bleibt, also wieder mal ein deutscher Track. Der Song stellt eine Pianointerpretation des Songs In The End von der vergangenen After The War Tour dar. Ein sehr melancholisches Lied. Erwartet nicht, zu tanzen oder gar zu headbangen. Freut euch lieber, wenn zu diesem Track Kerzenlicht herrscht und in der Dunkelheit der Regen an Eure Fenster prasselt.

Das war also die Halbzeit des bisher kontroversen Albums. Mit The Clock ticks on machen wir weiter. Der Song kommt hart mit einprägsamen Riffs daher und bietet Katha Mia einen längeren Gesangspart. Sehr angenehm zu hören. Diesen Song werde ich wohl häufiger in meiner Sendung spielen.

Track 8 nennt sich A Better Way to Die. Traurig und langsam schleppt sich dieser Track an unser Ohr heran. Mit einer gewissen Portion Ironie besingt Martin zig Möglichkeiten, sich aus dem Leben zu verabschieden. Aber die beste wäre "to die in my arms", was auf jeden Fall die kuscheligere Variante wäre. Nannte man den Orgasmus nicht auch den kleinen Tod? Sehr tiefsinnig und amüsant. Der Track selbst klingt ein wenig nach dem Outro einer TV-Serie. Nicht der Hit, aber auch nicht schlecht, aber zumindest lustig, wenn man schwarzen Humor mag.

Track 9 nennt sich Herzschlag und schwingt wieder ganz deutlich Richtung Neue Deutsche Härte. Durchaus ein Track, der Mengen von gröhlenden Fans zum Mitsingen animieren wird, wie ich glaube. Der Refrain ist mir persönlich ein wenig zu seicht, aber dennoch ist dieser Song ein gutes, brauchbares Stück. Das Zusammenspiel der Instrumente klingt angenehm in den Ohren.

Days Like This. Der Song schlägt ein wie ein echter Partykracher. Ein Song auf der Scheibe, der wirklich gute Laune verbreitet nach der harten Kost. Man meint, mit den Synthis Anleihen in den 80ern zu hören. Schnelles Tempo und gute Melodie vermitteln fröhliche Stimmung. Tolles Lied. Daumen hoch, sage ich.

Ich teile Dich nicht heißt es im nächsten Track. Eher langsam trägt sich dieser Track an uns heran und singt uns von Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft. Gute Gitarrentracks und Wechselgesang im Refrain machen diesen Track auch zu einem recht hörbaren Stück.

Nun kommen wir zum letzten Track: Nimmermehr. Erst einmal etwas Info vorab. Der Song ist laut Band für ein Kind in einem Kinderhospiz geschrieben worden und behandelt die Frage, was man einem (kleinen) Menschen am Ende eines Leben sagen möchte. Erwartet hier bitte nicht Headbangen oder Riffings. Klavier und Moll ist alles was wir bekommen. Alles andere ist taktlos in Anbetracht dieser Tatsache. Und das reicht auch, um eine Gänsehaut zu bekommen und evtl. die eine oder andere Träne zu vergießen. Der Song steckt voller Emotion. Nun stelle man sich vor, eine Horde Schwarzgewandeter singt dieses Lied im Chor...brr. Ich bekomme eine Gänsehaut.


Tracks:

  1. Heile, Heile Segen (3:50)
  2. Seligkeit (3:59)
  3. My Deal with God (4:17)
  4. Kein Weg zu weit (3:57)
  5. Euthanasia (3:51)
  6. Alles was bleibt (4:18)
  7. The Clock ticks on (4:18)
  8. A Better Way to Die (3:08)
  9. Herzschlag (4:36)
  10. Days Like This (4:10)
  11. Ich teile Dich nicht (3:50)
  12. Nimmermehr (3:15)

Gesamtspielzeit: 47:29


Line-Up:

  • Margin Engler (Gesang)
  • Carl Fornia (Bass)
  • Manuel Antoni (Leadgitarre)
  • Katha Mia (Schlagzeug, Backgroundgesang)

Fazit:

Das war ein hartes Stück Arbeit, wenn man sich die Wall of Text mal betrachtet. Aber Nimmermehr ist keine leichte Kost, vor allem, wenn man unreflektiert an dieses Werk geht. Aus heiterem Himmel hätte ich wohl auch gesagt, Mein Gott Walter, machen die jetzt den Grafen nach, wenn sie erfolgreich sind? Läuft Gothic demnächst auf WDR 4?
So würde es klingen, wenn man das Album einfach nur kauft, einlegt und nicht auf den Text achtet. Man wäre enttäuscht, wenn man die Vorgängeralben geliebt hatte und würde der Band vorwerfen, kommerziell zu werden und bei einigen Songs schlichtweg weiterspulen. Daher fällt mir die Wertung hier sehr schwer, da ich ja auch eine Kaufempfehlung geben sollte. Das Album ist massentauglich, ohne Zweifel, was ja schon ein derber Kritikpunkt für eine Scheibe aus der schwarzen Szene ist. Die Band hat ihren Stil verändert und singt jetzt auch deutsch - auch das könnten Alt-Fans kritisieren. Es sind Stücke drin, die eine wichtige Botschaft tragen, und nicht zum "Party machen" taugen. Würde ich den Inhalt der Songs weglassen, wären wahrscheinlich nicht mehr als 3 Punkte dabei herausgekommen. Die Scheibe ist kontrovers, ohne Zweifel und die Band darf die Handlungen ihres Labels ausbaden (Fernsehwerbung, Songs im Hartz-4-TV). Die Frage für die Zukunft ist: Quo vadis, Mono Inc.?
Mit gründlicher Auseinandersetzung mit der Scheibe und den Texten sowie Aussagen der Band muss ich diese Meinung allerdings revidieren und daher...

... gibt es auf jeden Fall 5 von 6 Pommesgabeln!