Bewertung 5.25/6 Pommesgabeln
Genre Dark Metal
Label Massacre Records
Releasedatum 15. November 2013
Links

Eisregen - Todestage

30. Dezember 2013, 14:36 - eisregen, review, massacre-records - geposted von MaKoMania

Manche Alben brauchen Zeit, Geduld und vor allem Durchhaltevermögen, wenn man diese objektiv bewerten möchte.
Als ich gefragt wurde, ob ich die neue (zehnte) Platte von Eisregen reviewen wollte habe ich kurzfristig und im Schnellschussverfahren einfach mal "Ja" gesagt, ohne mir wirklich gewahr zu werden, auf was ich mich hier eingelassen habe. (Ja, diese Arbeit kann schon manchmal hart sein...).
Kurzum, es hat mich insgesamt sieben Versuche gekostet, diese Platte wirklich am Stück anzuhören, um so einen umfassenden Bericht zu diesem Album schreiben zu können.
Schwere Kost, par excellance...

Eisregen gehört nun wahrlich nicht zu den Bands, die man im deutschsprachigen Raum noch weiter vorstellen muss.
Selten hat eine Band so sehr polarisiert, sich mit den Bundesprüfstellen für Jugendschutz angelegt und reiht sich somit auch in die Reihe von den Böhsen Onkelz, J.B.O. und Unheilig (höre ich hier etwa schon den einen
oder anderen Leser aufstöhnen?) ein, die man entweder abgrundtief hasst oder absolut vergöttert.
Wer mag, kann sich - Wikipedia sei Dank - die komprimierte Geschichte der Band noch einmal verinnerlichen, bevor wir mit dem Review beginnen.

(Für alle Katzenfreunde: Dieses Review wurde mithilfe meiner Katze Maggie verfasst, die mir aufmunternd zuschnurrte, mir vereinzelt in die Hand biss und mich ab und zu vom Tippen abhielt)


Review:

Waldgott - Schwer schleppt sich das Intro des Albums voran und die Blutkehle begrüßt uns literarisch gewohnt zur neuen Platte. Man fühlt sich hier direkt heimisch und ein wenig geborgen.
Typisch Eisregen - rückwärtslaufende Botschaften inklusive. Man folgt dem Lauf der Gitarren tief in den dunklen, bösen Wald. Ungewiss, ob man selber wieder heil zurückkehren würde...obwohl das Ende doch ein wenig - nun, sagen wir mal, unkonventionell erscheinen mag.

Todestag - Verwirrt blinzle ich im Anbetracht des Waldgottes vor mich hin, als mich schon der Todestag in meiner Playlist einholt. Hammertime, Baby! Nein, nicht der von MC Hammer, sondern ungeschlacht und brutal dargebracht von Eisregen. Fies und schmutzig. Elegant und doch brutal. Ein hervorragendes Arrangement im Zusammenspiel mit der Geige. Die Blutkehle ist in Höchstform und fesselt den Zuhörer bis zum Schluss. Herrlich.

DSDSL (Deutschland Sucht Die Superleiche) - Ja, kommt der Manni nu' oder nich'? Vom Titel des Liedes kann man sich ja schon den Zusammenhang, ähem, zusammenreimen. (...) Ja, ich schäme mich ein wenig schon ob
dieser literarischen Höchstleistung - mea culpa und so ;-) DSDS auf Eisregen-Art. Punkt.

Höllenfahrt - Woooohoooo....Vollgas voraus. Hier wird geklotzt, Blut und Gedärm' in die Menge geworfen und sonst auch noch viel ungezogenes vollführt. Leider versteht man hier die Blutkehle wenig bis gar nicht (gewollt oder ungewollt sei an dieser Stelle mal dahingestellt), da die Abmischung hier irgendwie sehr matschig klingt. Schade eigentlich, denn hier hätte mehr aus dem Song gemacht werden können.

Lang Lebe Die Nadel - Ungewohnt poppiges Gitarrenintro, welches sich in der folgenden Gitarrenarbeit durch den ganzen Song hindurchzieht. Was hier an musikalischer Härte fehlen mag, wird durch eine gnadenlose Trommelarbeit und literarische Tiefe ausgeglichen.
Ein Song zum Zurücklehnen und Genießen (kann man das so sagen bei einem Eisregen-Album? Ich denke schon.)

Familienbande - Wer hier ein Backe-Backe-Kuchen-Lied erwartet hat, der wird hoffnungslos enttäuscht werden, den hier ist das Familienoberhaupt niemand anderes als der Tod selbst.
Entweder ist hier der Mischer wieder nüchtern geworden oder er wurde ersetzt, denn hier ist der Sound wieder erfreulich klar und verständlich geworden. Zum Song selber kann ich nur zwei Worte finden: erfreulich krank.
'nuff said...

Oh Wie Sie Schrie - Herausstechende Bassline - gefällt mir sehr gut. Dieser Song könnte vom Inhalt heraus durchaus Ziel von nackten FEMEN-Protestanten werden (jedenfalls stelle ich mir das sehr lustig vor, sollten diese auf einem Eisregen-Konzert auftauchen). Dezenter Frauenhass, Tod, Vergewaltigung und Geburt. Würde ich hier Eisregen-Bingo spielen, würde dieser Song die Karte auf einen Schlag voll machen.
Hiermit fordere ich übrigens offiziell: mehr FEMEN-Proteste auf Metal-Konzerten und -Festivals! Danke für eure Aufmerksamkeit.

Mitternacht - Psychedelische Melodei, Tanzbarkeit und lyrischer Einheitsbrei, dieser Song ist fast Disco-tauglich. Ernsthaft, so etwas hätte ich sicher nicht auf diesem Album erwartet. Mein persönlicher Lieblingssong auf der Platte.

Oststern Am Narbenhimmel - Freud'scher Lesefehler - Ostern am Nabelhimmel. Ich glaube, ich bin so langsam Urlaubsreif...oh weia. Musikalisch erscheint dieser Song auch eher im unteren Geschwindigkeitsbereich. Passt also.
Der Rauch meiner Zigarette schwebt langsam zur Decke und ich bleibe an den blauen Dunstschwaden hängen, sinne etwas vor mich hin und folge dem Song leicht nickend dahin. Schwere Kost und die Erkenntnis, dass Gott tot ist. Passt. Ich drücke die Zigarette aus.

Tod/Untot - Genug dahinvegetiert, hier wird wieder fleißig gestorben und ordentlich musikalisch unterlegt. Galoppierende Trommelarbeit und erbarmungslose Riffs schießen aus den Boxen, die den Hörer am Kragen durch die Liedzeilen ziehen.
Man kann nicht widerstehen und lässt sich mittragen. Sicherlich nichts für depressive Mitmenschen, denn hier wird nichts lebensbejahendes vorgetragen. Tod ist relativ scheiße. Danke.

Seele Mein - "Oststern Am Narbenhimel"-reloaded. Die Finger wandern wieder zur Kippenschachtel und dem Feuerzeug. Maggie zuckt leicht zusammen, als die Flamme mein Büro erhellt. Dreht sich um und schlummert weiter auf meinem Schoß.
Augen zu und genießen. Ein perfekter Eisregen-Song.

Eisenherz - Der letzte Song auf der Platte. Zumindest wenn man das Digipak hat. Vier Kaffee, 12 Zigaretten und zwei Stunden Arbeit. Ich reibe mir die Augen und werde von stampfenden Techno- und Synthie-Beats überfallen.
Blutkehles zehnjähriger Sohn darf hier mal den Frontmann spielen und macht einen echt guten Job. Irgendwie krank und irgendwie weit weg. Man wird ungewollt an Heppners "Eisenherz" erinnert. Ungewöhnlich und ein würdiger Abschluss dieses Albums.


Tracks:

  1. Waldgott (6:33)
  2. Todestag (3:40)
  3. DSDSL (Deutschland Sucht Die Superleiche) (4:36)
  4. Höllenfahrt (4:04)
  5. Lang Lebe Die Nadel (5:24)
  6. Familienbande (3:35)
  7. Oh Wie Sie Schrie (4:12)
  8. Mitternacht (4:33)
  9. Oststern Am Narbenhimmel (4:28)
  10. Tod/Untot (4:02)
  11. Seele Mein (5:26)
  12. Eisenherz (4:31) [Digipak Bonus]

Gesamtspielzeit: 59 Minuten, 23 Sekunden


Line-Up:

  • Michael "Blutkehle“ Roth (Gesang)
  • Michael "Bursche“ Lenz (Gitarre)
  • "West" (Bass)
  • Franzi "Dr. Franzenstein“ Brink (Keyboard)
  • Ronny "Yantit“ Fimmel (Schlagzeug)

Fazit:

Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander. Auch auf diesem Album wird uns wieder vorgeführt, dass es die Jungs (und die Dame) aus Thüringen immer noch drauf haben und immer noch zu schocken verstehen. Tanzbarkeit und Melancholie können sich auf einem Metal-Album zu einem ungewollten Sprössling entwickeln, der einerseits leicht ins Ohr geht aber auch eine gewisse Ruhe beim Zuhören abverlangt, wenn man das Gesamtwerk betrachten will.

Ich, für meinen Teil, kann jedenfalls sagen, dass es sich hier um ein grundsolides Album von Eisregen handelt, auf dass wir alle gewartet haben. Altbekanntes und neue Lieder geben uns die Band Eisregen, die wir erwartet haben und somit...

...gibt es auf jeden Fall von mir 5,25 von 6 Pommesgabeln!